"Würde keine 5 Minuten überleben": Fallout-Macher Jonathan Nolan über Sci-Fi-Western, Lieblingsszenen und seinen Bruder Christopher Nolan (2024)

Lange haben Fans darauf hingefiebert, jetzt wurden sie belohnt: Amazons Sci-Fi-Serie Fallout ist gestartet und ein Sieg auf ganzer Linie. Das ist nicht zuletzt Jonathan Nolan zu verdanken, der die Serie produzierte und die Regie der ersten drei Folgen übernommen hat.

Fallout basiert auf einem erfolgreichen Spiele-Franchise, das bereits seit 1997 existiert. Dort muss der Spielende in einer von Atomschlägen verseuchten Welt überleben. Die Serie adaptiert keine bestimmte Story aus der Vorlage, sondern folgt Lucy (Ella Purnell), die nach Jahren in einem Bunker zum ersten Mal die dystopische Oberfläche ihrer Endzeitwelt betritt.

Fallout-Regisseur Jonathan Nolan im Interview: Sci-Fi, Christopher Nolan und Staffel 2

Jonathan Nolan ist ein Meister seines Fachs. Mit Westworld begeisterte er Sci-Fi-Fans, mit seinem Bruder Christopher Nolan schrieb er unter anderem die Drehbücher zu The Dark Knight und Interstellar. Im Moviepilot-Interview entpuppt er sich als großer Fan der Fallout-Spiele, schwärmt vom Dreh und erklärt, was er nach 200 Jahren in einem Atomschutzbunker als Erstes tun würde.

Moviepilot: Nach Westworld und Peripherie sind düstere Zukunftsvisionen für dich nichts Neues. Was macht die Fallout-Dystopie so einzigartig?

Jonathan Nolan: Um das zu erklären, muss man bei den Spielen anfangen, die diesen einzigartigen, finsteren und zugleich komischen Tonfall haben. Westworld ist zwar auch satirisch, aber ich habe mich selbst nie als Comedy-Autor gesehen.

Fallout ist anders. Fallout ist von Anfang an eine politische Satire. Wir wussten, dass die Adaption das brauchte. Ich tat mich also mit [den zwei Serienschöpfer:innen] Geneva Robertson-Dworet und Graham Wagner zusammen. Geneva ist eher wie ich, sie kommt aus der Welt der Comic-Adaptionen. Graham hingegen hat im Comedy-Genre bei Portlandia, The Office und Silicon Valley mitgearbeitet. Die Fusion dieser beiden Autoren ermöglichte den einzigartigen Fallout-Tonfall.

Schaut euch hier den neuesten Trailer zu Fallout an:

Vor der Fallout-Adaption hast du Teile der Videospiel-Reihe auch selbst gespielt. Gab es etwas, was du unbedingt umsetzen wolltest?

[Produzent] Todd Howardund ich wussten von Anfang an, dass wir eine neue Geschichte erzählen wollten. Die Spiele machen es ja genauso: Jedes Spiel hat ein eigenes Setting und eigene Figuren. Mit den Vorgängern ist es nur durch die Mythologie verbunden.

Doch Open-World-Spiele haben eine andere Grammatik als Filme. Es gab also keine bestimmte Szene, die ich umsetzen wollte, sondern es ging mir eher darum, das Gefühl beim Spielen zu kopieren: zum Beispiel, wenn man in Fallout 3 aus dem Vault entkommt oder in Fallout 4 die erste Atomrakete explodiert.

In einer eindrücklichen Szene beleidigt Ritter Titus seinen idealistischen Knappen Maximus …

Das war eine meiner Lieblingsszenen aus dem Drehbuch! Das erinnert an die Gesprächsführung in den Videospielen: Man hat jemanden zu sehr gereizt und hat nun je nach Charisma mehrere Dialog-Optionen. Es gibt die zweckmäßige Option, mit der du ans Ziel gelangst, die aber moralisch fragwürdig ist. Oder es gibt die moralisch einwandfreie Optionen, die aber sehr gefährlich ist. Am Gesichtsausdruck von [Hauptdarsteller] Aaron Moten sieht man, dass er hier in genau so einer Zwickmühle steckt.

Gleich zu Beginn von Fallout lernen wir Walton Goggins als Cowboy vor der Apokalypse kennen. Wie seid ihr zu dieser Szene gekommen?

Walton ist ein sehr liebevoller Mensch. Da war es wichtig zu zeigen, dass seine Ghul-Figur schon lange vor der atomaren Katastrophe am Leben war und viele fragwürdige Entscheidungen getroffen hat. Ich liebe es, gleich am Anfang die Gefühlskeule auspacken.

Eine Sache ist bei Fallout jedoch wichtig zu verstehen [und auch deshalb zeigen wir den Ursprung]: Die Welt, die zerstört wurde, war nicht unsere Welt. Fallout spielt in dieser bizarren 50er-Eisenhower-Welt: quasi Amerika auf nuklearen Steroiden.

Die Serien Westworld und Fallout kombinieren beide Sci-Fi- und Western-Elemente. Gab es Erfahrungen aus Westworld, die dir bei Fallout geholfen haben?

Die Arbeit mit meinem Bruder [Christopher Nolan] brachte mir zwei Dinge bei. Erstens: einen echten Drehort zu nutzen. Insbesondere bei einer Videospiel-Adaption. Selbst wenn wir alles mit Bluescreens drehen, können wir uns nie mit der Schönheit der Fallout-Spiele messen.

Zweitens: auf echtem Filmmaterial zu drehen. Das ist für eine Videospiel-Adaption unkonventionell. Aber Film macht einfach alles schön. Leute verstehen nicht, wie viel besser man darin Gesichter einfangen kann. Es transportiert so viel mehr Emotionen als ein digitales Format. Es gibt den Look der Spiele mit den Möglichkeiten des Filmmediums wieder.

Gab es etwas, was du gerne für die erste Staffel umgesetzt hättest, was dann aber nicht funktioniert hat?

Ich hätte gerne eine Todeskralle [also ein Monster aus dem Fallout-Universum] untergebracht. Ich drücke uns die Daumen, dass wir das in Staffel 2 nachholen können.

Gab es Momente, wo ihr euch zwischen dem einzigartigen Humor der Vorlage und dem düsteren dystopischen Hintergrund entscheiden musstet?

Darüber habe ich mich ständig mit [den Showrunnern] Geneva und Graham unterhalten. Es war das erste Mal, dass ich Comedy-Szenen drehte. Normalerweise halte ich mich genau ans Drehbuch. Aber bei Comedy muss man das Drehbuch manchmal weglegen und sagen: “Ok, das haben wir geschafft, jetzt versuchen wir es nochmal anders.

Auf der einen Seite drehten wir die Serie, als wäre es Lawrence von Arabien. Auf der anderen Seite machten wir Witze über jemanden, der Hühner belästigt. So haben wir den Tonfall der Spiele getroffen.

Wenn du nach 200 Jahren aus einem Atomschutzbunker kämst, was würdest du als Erstes tun?

Ich würde vermutlich keine fünf Minuten überleben [lacht]. Oder sofort zurück in den Bunker rennen. Selbst wenn ich eine Power Armor der Stählernen Bruderschaft trage, würde ich sie vermutlich kaputt machen oder einfach umkippen.

Neulich sprach ich mit jemandem über Unsterblichkeit. Er fragte: “Würdest lieber 100 Jahre länger leben oder lieber ein Buch bekommen, das den Rest der menschlichen Geschichte erzählt?” Ich persönlich würde nur länger leben wollen, um herauszufinden, was als Nächstes passiert. Wenn ich aus dem Vault käme, würde ich also eigentlich nur wissen wollen, was passiert ist und was uns noch bevorsteht.

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