»La bestia blanca« und die weiße Wand (2024)

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Frankfurt (pep). 13 Spiele, keine einzige Niederlage. Die Eintracht hat eine herausragende Europa-League-Saison gespielt. Der Beginn war unspektakulär, holprig. Der Trainer und die Mannschaft waren noch Suchende, verunsichert von den wenig überzeugenden Auftritten in der Liga.

Die Zuschauer durften erst langsam zurückgekommen. 25000 gegen Fenerbahce, 35000 gegen Piräus, 30000 gegen Antwerpen, das war zwar mehr als in den vielen trostlosen Monaten zuvor, aber halt keine Vollauslastung.

Aber eines galt von der ersten Minute: Die Leidenschaft für Europa hatte alle gepackt. Die Leistungen wurden nach und nach besser, die Stimmung war immer gut. 1:1 zum Auftakt gegen Fenerbahce, für die Türken traf ein gewisser Mesut Özil, für die Eintracht Sam Lammers, der neue Mittelstürmer. Am 30. September letzten Jahres war im Rückblick der Hauch dessen zu verspüren, was kommen sollte. Bei Royal Antwerpen gewann die Eintracht 1:0.

Die Stimmung war aufgeheizt. Die belgischen Fans warfen Pyro Richtung Torwart Trapp, Frankfurter Fans wurden auf der Tribüne tätlich angegangen. Ein paar »Ultras« der Eintracht, die nicht ins Stadion gingen, hatten am Nachmittag eine Fan-Kneipe der Belgier überfallen. Das Spiel war nicht gut, ausgeglichen, kämpferisch. Die Eintracht siegte schließlich durch ein Tor in der Nachspielzeit, Goncalo Paciencia verwandelte einen Elfmeter, den Jesper Lindström rausgeholt hatte.

Es war der Anfang einer ganzen Serie von »last-minute-Toren«. In der Liga klappte das beim Sieg in Fürth und beim Remis gegen Leipzig. Und im Europapokal mit dem Siegtor von Jens-Petter Hauge in Piräus in der zweiten Minute der Nachspielzeit und dem Ausgleich von Goncalo Paciencia zum 2:1 im Rückspiel gegen Antwerpen in der vierten Minute der Nachspielzeit.

Nach dem 3:1 gegen Olympiakos Piräus war klar: Die Eintracht kann besser eingeschätzte Mannschaften schlagen. Sie beendete die Gruppenphase als Erster, sparte sich damit eine Zwischenrunde und ein paar Kräfte. Im Frühjahr begannen dann die Heldengeschichten. Das Los bescherte der Eintracht den schwerstmöglichen Weg bis ins Finale. Den spanischen Pokalsieger Betis Sevilla, den spanischen CL-Dauergast FC Barcelona und den englischen »Aufsteiger der Saison« West Ham United.

Der Triumphzug hat im März dort begonnen, wo er im Mai endete, in der andalusischen Metropole Sevilla. Das 2:1 bei Betis war bis dahin das beste Saisonspiel der Frankfurter. Im altehrwürdigen »Estadio Benito Villamarin« feierten Frankfurts Fans ein erstes Fest. Beim Rückspiel durften wieder nur 25 000 Zuschauer in die Arena. Die Dramaturgie dieser Partie war ein Höhepunkt der Saison. Betis ging 20 Sekunden vor Schluss der regulären Spielzeit durch Nabil Fekir 1:0 in Führung und erzwang damit die Verlängerung. Das Elfmetschießen war dann nach 120 Minuten nahe. Da warf sich Martin Hinteregger in einer letzten Flanke von Filip Kostic. Der Ball fand irgendwie den Weg ins Tor, das 1:1, der »Sieg«, die nächste Runde. »Da habe ich das erste Mal gedacht, dass etwas ganz Großes passieren könnte«, sagt Vorstandssprecher Axel Hellmann.

Wie zur Belohnung für diese Kraftanstrengung fiel das Los fürs Viertelfinale auf den FC Barcelona. Und als hätten Fußball-Götter nun genug von all den Einschränkungen und Beschränkungen durften gegen »Barca« nach zwei Jahren Abstinenz wieder alle Karten verkauft werden. Rund um die Eintracht explodierte die Begeisterung, die Vorfreude. Alle wollten dabei sein, über 100000 Kartenwünsche gingen ein. Sportlich waren die Einschätzungen klar: Barcelona war der Favorit, die Eintracht eigentlich chancenlos.

Das Spiel war dann ein einziges Fest der emotionalen Explosionen. Ansgar Knauff, im Winter aus der dritten Liga geholt, brachte die Eintracht in Führung. Barcelona konnte noch ausgleichen.

Als Trainer Glasner nach dem Abpfiff sagte, »wir fahren jetzt nach Barcelona und wollen dort gewinnen«, konnte noch keiner ahnen, dass tatsächlich wohl das beste Spiel der gesamten Frankfurter Klubgeschichte folgen sollte. Barcelona, das legendäre Camp Nou mit einem Fassungsvermögen von 90 000 Zuschauern, übte einen Reiz aus, wie ihn Fußball-Frankfurt noch nicht erlebt hatte. Mehr als 30 000 Frankfurter machten sich auf nach Katalonien, fluteten die Stadt. Und das Stadion. »Wie ein Heimspiel«, staunte Torwart Kevin Trapp. Die weiße Wand war geboren, die Fans in weiß, die Mannschaft in weiß. Der Begriff »La bestia blanca« (die weiße Bestie) wurde von den spanischen Medien später geprägt. Die Eintracht spielte wie im Rausch, Kostic, Borré und nochmal Kostic sorgten für einen 3:0-Vorsprung. Die beiden Treffer von Barca in der Nachspielzeit kamen zu spät. Die Eintracht war im Halbfinale. Ganz Europa sprach von diesem Spiel. Von der Mannschaft, von den Fans. »Das kann man nie mehr vergessen«, sagte der Trainer

Der nächste Gegner war West Ham. Auch in London trat die Mannschaft konzentriert und fokussiert auf. Nur 3000 Karten gab es für Frankfurter. »Trotzdem war es eine weiße Wand«, feixte Axel Hellmann, denn die Fans standen direkt am Spielfeldrand. Als Daichi Kamada das 2:1-Siegtor gelang, konnte er direkt vor dieser Wand im Beifall baden.

Das Rückspiel war reine Nervensache. Die Eintracht hatte die besseren. West Ham schwächte sich früh mit einem Platzverweis, Rafael Borré erzielte bald das 1:0. Der Weg ins Endspiel war frei. Frankfurt feierte ein Fest. Kurz vor Mitternacht war die Partie zu Ende, eine halbe Stunde später waren Flüge und Hotels im Endspielort Sevilla quasi ausverkauft.

Alle wollten sie wieder nach Spanien. Viele haben es geschafft, nicht alle ins Stadion. Alle, die dabei waren beim Europapokalsieg gegen die Rangers, werden diese Reise nie vergessen. Vor der weißen Wand hielt Sebastian Rode den Pokal in die Höhe. Die »bestia blanca« hatte tatsächlich triumphiert.

In unserer Serie beleuchtet Peppi Schmitt die Gründe, die zum Höhenflug der Adler geführt haben.

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